Am 25. März 2022 fand unser „Blickwechsel“ mit Malgorzata Burek , gebürtige Polin, lebt heute in Deutschland und arbeitet als Übersetzerin, Mitglied im Vorstand von Mitte 21 – Verein zur Förderung der Völkerverständigung und der Demokratie e.V. und Siebo M. H. Janssen, Historiker und Europa-Experte, Lehrbeauftragter an deutschen und internationalen Universitäten und Fachhochschulen sowie als Politischer Erwachsenenbildner, statt.

Der Blickwechsel beschäftigte sich einerseits mit der Entwicklung des Krieges in der Ukraine und andererseits mit den Reaktionen Polens und der polnischen Regierung auf den Krieg.

Nach einem kurzen Input, in dem Janssen auf die aktuelle Lage in der Ukraine einging und die Handlungsoptionen der beteiligten Parteien darstellte wandte er sich der Rolle der EU und der USA im aktuellen Konflikt zu. Er verwies darauf, dass die USA mittelfristig keine verstärkte Sicherheitspolitik mehr in Europa betreiben würden, da ihre Aufmerksamkeit sich zukünftig auf den asiatischen Raum und vor allem die Entwicklung Chinas konzentrieren wird. Hinzu kommt, laut Janssen, dass die USA nach dem Scheitern verschiedener militärischer Interventionen und einer aktivistischen Außenpolitik sich verstärkt innenpolitischen Problemen zuwenden. Diese Abwendung von Europa erfolgte allerdings nicht erst unter Donald Trump, sondern hat seine Anfänge bereits in der Amtszeit Barack Obamas. Für Janssen ist daher klar, dass die EU eine eigenständige Außen- und Sicherheitspolitik braucht und diese eine eigenständige Armee beinhaltet.

Im Bezug auf die Entwicklung in der Ukraine sprach Janssen vor allem über die theoretischen Hintergründe von Putins denken und erinnerte daran das der Putinsche Neozarismus auf aggressiver Außenpolitik verbunden mit ethnischer Homogenität beruht.

In der darauffolgenden Diskussion mit Frau Burek ging es vor allem um zwei Themenkomplexe. Einerseits um die Wandlung der polnischen Flüchtlingspolitik, die man im Bezug auf den Umgang mit syrischen Flüchtlingen 2015 noch anders in Erinnerung hat und andererseits um die Frage wie sich die polnische Regierung gegenüber der EU aufstellt im Angesicht des Krieges an der polnischen- und EU-Ostgrenze.

Burek erklärte zum ersten Punkt, dass es sich bei den ukrainischen Flüchtlingen für viele Polen, quasi um Nachbarn handeln würde mit der sie eine lange kulturelle und historische Verbindung hätten und auch deren Religion „akzeptabler“ für sie wäre. Dies würde erklären, warum auch die nationalkonservativ-rechtspopulistische Regierung sich für die Flüchtlinge einsetzen würde – wenn auch eher mit Worten als mit Taten – ein Großteil der Hilfe wird laut Burek von privaten Initiativen getragen.

Zum zweiten Punkt erklärte die Referentin das die polnische Regierung keinesfalls ihre EU-skeptischen Positionen ändern würde, sondern diese nur durch den aktuellen Krieg überdeckt würden. Janssen wies zudem darauf hin, dass die Gefahr bestünde, dass die polnische, wie die ungarische Regierung darauf hoffen würden aufgrund des Krieges nicht mehr im Focus der EU im Zusammenhang mit Fragen der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zu stehen. Ob die EU-Kommission diesem Ansinnen nachkommt, bleibt abzuwarten, wichtig ist für beide Referenten aber das die EU ihre eigenen Werte ernst nimmt und nicht verschiedene Fragestellungen miteinander vermischt.

Abschließend gab es noch eine Diskussion bzgl. des weiteren Vorgehens in Bezug auf Russland. Beide Diskutanten forderten klare ökonomische Sanktionen, die das russische Regime massiv treffen, zugleich lehnten sie aber einen pauschalen Abbruch der Beziehungen und einen generellen Boykott im z. B. Wissenschafts- und Kulturbereich ab, da dieser eher die aufgeklärteren und jüngeren Russen trifft und diesen somit Zukunftschancen verbaut und unnötigerweise Brücken abbricht. Klar war für Burek wie für Janssen, das Putin nicht einfach verschwinden wird, sondern der Westen sich darauf einstellen werden muss auf einem minimalen Niveau mit ihm umzugehen. Russland wird für verschiedene globale Entwicklungen wie z. B. Kampf gegen den Klimawandel oder aber auch das Atomabkommen mit dem Iran gebraucht. Eine ökonomische Isolierung von Putin und Co ist richtig und notwendig, eine diplomatische Isolation unmöglich.

Der Abend wurde geprägt durch eine engagierte Einleitung von Stefan Stader sowie fachkundige Beiträge der beiden ReferentInnen. Insgesamt kann man festhalten: trotz der schwierigen Situation in der Ukraine eine Veranstaltung die verschiedene Aspekte nachdrücklich verdeutlicht hat.

Danke für den spannenden und diskutierfreudigen Abend zum Verhältnis Polen und Ukraine!