In unserem „Europäisches Café in Brüssel“ online sind wir am 8. Dezember 2021 mit Evelyne Gebhardt, Mitglied des Europäischen Parlaments (SPD) unter der Moderation von Dr. Susanne Drake, Leiterin des Brüsseler Büros der Willi-Eichler-Akademie und Vorstandsmitglied von Solidar, über Perspektiven für die Zukunft Europas ins Gespräch gekommen.
Seit fast drei Jahrzehnten sitzt Evelyne Gebhardt als Abgeordnete im Europaparlament. Im nächsten Jahr will sie ihr Mandat und die „Verantwortung an Jüngere“ abgeben.
Evelyne Gebhardt gehört seit 1994 dem Europäischen Parlament an. Sie wurde damals als erste Französin auf einer bundesdeutschen Wahlliste der SPD in das Europäische Parlament in Brüssel gewählt. 32% holte die SPD bei dieser Wahl, was allgemein als ein sehr schlechtes Ergebnis angesehen wurde. Mit 40 Abgeordneten waren die SPD-Europaabgeordneten damals nach der Gruppe der Labourpartei Großbritanniens die zweitgrößte Gruppe in der sozialdemokratischen Fraktion. Susanne Drake und Evelyne Gebhardt kennen sich aus der Zeit als Frau Drake Koordinatorin der SPD-Europaabgeordneten im Europäischen Parlament war.
Die gebürtige Französin Gebhardt ist Mitglied im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz sowie stellvertretende Vorsitzende der Delegation für die parlamentarischen Beziehungen zur Volksrepublik China. Von 2017 bis 2019 amtierte Evelyne Gebhardt als Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments.
In den langen Jahren im Europäischen Parlament war Gebhardt nicht nur bei bahnbrechenden Entscheidungen für den Verbraucherschutz beteiligt, sondern auch als stellvertretende Vorsitzende der Delegation zur Volksrepublik China und so die Verwandlung Chinas hin zur größten und mächtigsten Herausforderin der westlichen Demokratien verfolgt.
Mit Evelyne Gebhardt haben wir uns gefragt, wie es mit Europa aussieht, was sich verändert hat? Was sie für Europa erhofft oder befürchtet? Was sie als erste Französin auf einer deutschen Liste in 28 Jahren erlebt hat? Und, was sie zu den europäischen Aussagen im Koalitionsvertrag der neuen Ampel-Koalition in Deutschland sagt? Und natürlich die Frage, was sie sich für ihre Nachfolgerin und die zukünftigen Generationen wünscht?
Es ist wichtig, so sagte Evelyne Gebhardt, sich Europa zu vergegenwärtigen, wie sie es noch erlebte: Schlagbäume auf der E40 an der Grenze zwischen Deutschland und Belgien, die EU, dieses faszinierendste Friedensprojekt des Kontinents, dessen Bewohner sich so oft bitter bekriegt hatten. Heute ist die EU an einem Wendepunkt, als Hort demokratischen Handelns in der Welt und Hoffnung für viele Verzweifelte, die den Weg nach Europa aus grausamen Kriegswirren und bitterer Armut suchen – aber auch geschwächt durch den Brexit und die nationalistischen Tendenzen in mehreren Mitgliedstaaten.
Frau Gebhardt hat Vertrauen in die Kraft der Europäischen Union. “Die Entscheidungen, die von der EU getroffen werden, brauchen viel Zeit, das ist wahr,” sagte die Abgeordnete, “aber diese Kultur des Verstehens um die Unterschiede und der Respekt des Andersseins ist ein Schatz, der weiterhin seinen Wert behalten wird.” Die EU wird sich den Herausforderungen der nächsten Jahre stellen müssen, aber ihre Fähigkeit dazu ist seit den Römischen Verträgen in fast 65 Jahren gewachsenen. Kommunikationsstrukturen und die Werte für die sie weiterhin steht, werden auch diese überstehen und die Europäischen Bürger werden weiterhin eine der freiheitlichsten Ordnungen dieser Welt genießen.
Unser Europäisches Café steht im Rahmen unseres von der Bundeszentrale für politische Bildung geförderten Projektes „Perspektiven für eine europäische Identität“ – Hier wollen wir in verschiedenen Formaten das Thema „Perspektiven für eine europäische Identität“ vertiefen und die gemeinsamen europäischen Probleme unserer Zeit in den Blick nehmen.
Mit der glühenden Europäerin Evelyne Gebhardt ist uns dies eindrucksvoll gelungen. Im Video besteht die Möglichkeit den Nachmittag noch einmal zu erleben.