Seit 75 Jahren sind sie nun Nachbarn und teilen sich eine knapp 100 Kilometer lange Grenze – Nordrhein-Westfalen und (Ost-) Belgien. Was verbindet und was trennt das bevölkerungsreichste deutsche Bundesland und den stereotyp so komplizierten Föderalstaat aus Flamen, Wallonen und knapp 78.000 zumeist deutschsprachigen Ostbelgiern?
Aller Anfang war schwer nach dem Zweiten Weltkrieg und das Misstrauen gegenüber dem besiegten Nachbarn so groß, dass Belgien die britische Besatzungsarmee in Teilen Westfalens und des Rheinlands mit Truppen unterstützte. Dort herrschten Armut, Hunger und Elend, auf der anderen Seite der Grenze hingegen „das belgische Wunder“ und ein fast unbeschwertes neues Leben in Frieden.
Kontakte und Konflikte gab es fortan zahlreiche, sowohl auf der großen politischen und wirtschaftlichen Ebene als auch auf der kleinen des alltäglichen Grenzverkehrs: die 1951 beschlossene Montanunion als Keimzelle eines geeinten Europas und der bilaterale Staatsvertrag von 1956 zur Normalisierung der deutsch-belgischen Beziehungen, die so rege wie gefährliche Schmuggeltätigkeit der Nachkriegsjahre und das ‚Erfahren‘ des Nachbarlands über die im November 1964 eröffnete grenzüberschreitende Autobahn (zentral vorerst für den Warenfluss zwischen Köln, Aachen, Lüttich, Hasselt und Antwerpen).
Stets ging und geht es auch um Identitäten auf beiden Seiten der Grenze – nationale, regionale, lokale. Wer sind wir, wer sind die anderen? Und was wissen wir eigentlich über das politische, wirtschaftliche und kulturelle Leben der anderen?
Diese und weitere Fragen diskutierten wir mit Antonios Antoniadis, Vize-Ministerpräsident und Minister für Gesundheit und Soziales, Raumordnung und Wohnungswesen der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, sowie Claudia Walther, stellvertretende Vorsitzende der Willi-Eichler-Akademie e. V., unter anderem Koordinatorin des Europa-Arbeitskreises der SPD Mittelrhein und langjährig wohnhaft in Aachen, in der Grenzregion Euregio Maas-Rhein: „Ich habe mich damals tatsächlich in unserer belgischen Nachbarregion heimisch gefühlt. Sie gehörte zu unserem Aachener Alltag.“ Moderiert von Dr. Sebastian Scharte, Pädagogischer Leiter des Willi-Eichler-Bildungswerks, ging Antoniadis im Rahmen der Veranstaltung auch auf die aktuelle Situation ein: „Grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist in unserer fortschrittlichen Gesellschaft wichtiger denn je. Gerade die Corona-Pandemie hat uns dies noch einmal vor Augen geführt. Denn die Lebensrealität der Menschen endet nicht an den Grenzen unserer Gemeinschaft.“ Danke für die spannende Diskussion!